Feature-Mo< Zurück 17.12.2010
Von Max Werschitz
In genau einer Woche ist es so weit, dann steht das Christkind, der Weihnachtsmann, oder – seien wir mal ehrlich – zumindest das übliche Verwandschaftschaos vor der Tür. Zeit sich nicht nur über letzte Geschenke und das Festtagsmenü den Kopf zu zerbrechen, sondern vor allem das Filmprogramm das einem dann vielleicht den Abend rettet oder die Abende bis dorthin versüßt. Halleluja!
Weihnachten, das ist auch jene Zeit kurz vor dem Jahreswechsel in der sich die Redakteure diverser Magazine fleißig wie Santas Elfen an das Schreiben diverser Jahresbestenlisten machen. Da das mit Weihnachtsfilmen etwas schwierig wäre (hm... die Liste für 2010 bestände vermutlich nur aus Rare Exports, und den habe ich leider noch nicht einmal gesehen) habe ich etwas tiefer in die Schublade der Filmgeschichte gegriffen.
Was wäre das Fest der Feste ohne Charles Dickens' A Christmas Carol? Diese Neuinterpretation des Klassikers mit Bill Murray als menschen- und weihnachtsfeindlicher TV-Produzent war schon 1988 herrlich trashig und ist es mit 22 Jahren auf dem Buckel umso mehr.
Billy Bob Thornton als krimineller Kaufhausweihnachtsmann der nicht nur ein Problem mit Alkohol, sondern auch mit Kindern hat: der ideale Film für Feiertagszyniker. Nettes Detail am Rande: ursprünglich hätte Bill Murray die Hauptrolle übernehmen sollen, sagte jedoch ab um stattdessen Lost in Translation machen zu können. Mein größter Weihnachtswunsch: ihn einmal an einem Paralleluniversum-Heiligabend doch noch in beiden Filmen über den Fernseher flimmern zu sehen.
Bruce Willis in der Rolle die ihn zur Action-Ikone einer ganzen Generation gemacht hat. Kein Weihnachtsfilm im klassischen Sinn, aber Heiligabend nur mit einem Unterleiberl bekleidet in einem Hochhaus in Los Angeles umringt von Terroristen zu verbringen hat auch mal was. Und am Ende stürzt nicht nur der Bösewicht vom Hochhaus sondern fällt auch Schnee vom Himmel.
Tim Burton, die erste: natürlich begleitet von seinem Lieblingsschauspieler Johnny Depp (für diese Rolle immerhin für einen Golden Globe nominiert), in dem Fall als künstlich erschaffener Mensch mit – Achtung, Spoiler – Scherenhänden. Mit diesen kreirt er in einer ikonisch flockenstrotzenden Szene verstörend schöne Eisskultpuren und schnippelt sich letztendlich nicht nur in das Herz von Winona Ryder sondern auch die Herzen des Publikums.
Tim Burton, die zweite: im frostigen Gotham City heizen der Pinguin, Catwoman und der skrupellose Millionär Max Shreck dem "dark knight" kurz vor Weihnachten so richtig ein. Obwohl Christopher Nolans aktuelle Neuinterpretation der Batman-Franchise eigentlich unschlagbar gut ist bleibt dieser zweite nennenswerte Batman der Filmgeschichte ganz oben auf meiner All Tim, äh, All Time Favourite-Liste. Neben der düster-weihnachtlichen visuellen Stimmung hat(te) es mir vor allem der geniale Soundtrack von Danny Elfman angetan.
Angelehnt an eine Geschichte des britischen Dichters Ted Hughes aus dem Jahr 1968 kreirte Brad Bird (The Incredibles, Ratatouille) einen ebenso witzigen wie berührenden Animationsfilm in dem der neunjährige Hogarth in der amerikanischen Pampa der 1950er mit einem ausserirdischen Riesenroboter Freundschaft schließt. Es gibt einige Filme bei denen mir jedes Mal bei einer bestimmten Szene die Tränen in die Augen schießen, und Der Gigant aus dem All (orig. The Iron Giant) hat kurz vor dem Ende so eine. Insgesamt gesehen auch kein klassischer Weihnachtsfilm, aber das undefinierbar wohlige Gefühl das er vermittelt und die verschneite Landschaft zum Schluss machen ihn zu einem würdigen Kandidaten für diese Liste.
Seit dem Relaunch der britischen Fernsehserie Dr. Who im Jahre 2005 gibt es auch jedes Jahr ein Weihnachtsspecial, und was kann ich sagen, eigentlich ist jede Folge mit dem Doktor so etwas wie ein kleines Weihnachten. Die Geschichten der Specials haben mal mehr, mal weniger mit dem tatsächlichen Fest zu tun, dieses Jahr jedoch definitiv eine Menge: am 25. Dezember ist es (auf BBC und diversen amerikanischen Sendern) so weit, Matt Smith und Karen Gillan nehmen sich Dickens' A Christmas Carol höchstpersönlich vor. Ich sage nur: "Time can be rewritten!" Geronimo!
"Whenever I get gloomy with the state of the world, I think about the arrivals gate at Heathrow Airport. General opinion's starting to make out that we live in a world of hatred and greed, but I don't see that. It seems to me that love is everywhere. Often it's not particularly dignified or newsworthy, but it's always there – fathers and sons, mothers and daughters, husbands and wives, boyfriends, girlfriends, old friends… When the planes hit the Twin Towers, as far as I know none of the phone calls from the people on board were messages of hate or revenge – they were all messages of love. If you look for it, I've got a sneaking suspision love actually is… all around."
Für die Aufnahme dieses Films in die Liste, sogar in die Top 3, werde ich wohl am meisten Flak bekommen (ich bin schon gespannt auf die Kommentare :-). Man kann von Tatsächlich Liebe (aber bitte nur im englischen Original, Love Actually) halten was man will – unbestreitbar ist meiner Meinung nach dass Autor und Regisseur Richard Curtis (Blackadder, Vier Hochzeiten und ein Todesfall, The Boat That Rocked) damit handwerklich gesehen ein kleines Meisterwerk abgeliefert hat. Nicht weniger als 10 Geschichten mit fast 30 Charakteren deren Schicksale im vorweihnachtlichen London sich schlußendlich zu einem romantischen Wohlfühlpackerl verschnüren – einfach großartig. Zugegeben, aus diesem Packerl tropft der Kitsch wie das Wachs vom Adventkranz, und ganz unten am Boden lungern einige reichlich dämliche Sager und Szenen herum, das ändert für mich jedoch nichts an der Qualität der Gesamtkomposition. Vor allem der Humor (aber auch die nötige Portion Melancholie) kommt nicht zu kurz, und das Ganze wird von einer sensationellen SchauspielerInnenriege getragen, allen voran wohl Bill Nighy als abgehalfterter Rockstar ("Christmasss is all around you…") und Emma Thompson als betrogene Ehefrau. (Und Rowan Atkinson in einem Gastauftritt als Juwelierverkäufer!). Wie dem auch sei: wenn am Ende das wundervolle "God Only Knows" der Beach Boys erklingt und sich die Geschichten der ProtagonistInnen mit unzähligen unerzählten weiteren Geschichten im wahrsten Sinne des Wortes zu einem großen Mosaik vermischen wird es bei mir jedes Mal warm ums Herz und feucht um die Augen.
"Strange, isn't it? Each man's life touches so many other lives. When he isn't around he leaves an awful hole, doesn't he?"
Dieser Film, im Original It's a Wonderful Life, ist auf den meisten Top 10 Weihnachtsfilme-Listen an erster Stelle. Und auch wenn er es bei mir nicht auf Platz 1 geschafft hat kann ich der allgemeinen Meinung nicht widersprechen: es ist tatsächlich einer der besten aller Zeiten, laut dem American Film Institute sogar einer der 100 besten amerikanischen Filme überhaupt (konkret auf Platz 11; Nr. 1 ist erwartungsgemäß Citizen Kane – und siehe da, Star Wars hat es auf Rang 15 geschafft! :-). Das Schicksal des gutmütigen, vielfach leidgeprüften George Bailey (James Stewart), der am dunkelsten Punkt seiner Existenz kurz vor einem Selbstmordversuch steht und daraufhin durch einen Engel die Chance erhält zu sehen wie das Leben seiner Familie und Freunde, ja seiner ganzen Gemeinde verlaufen wäre wenn es ihn nicht gegeben hätte, hat seit über einem halben Jahrhundert unzählige Menschen berührt. Es ist eine Liebesgeschichte, eine Familienchronik, ja fast ein historisches Stadtepos – und verpackt eine Vielzahl von zeitlosen Botschaften in eine wundervoll weihnachtliche Tragikomödie mit lange ersehntem und durchwegs verdientem Happy End. Wem da nicht die Tränen kommen, der hat kein Herz.
(…) Time to give them something fun / they'll talk about for years to come / (…) / Making Christmas / Snakes and mice get wrapped up so nice / with spider legs and pretty bows. / It's ours this time. (…)
Tim Burton, die dritte – tja, Anfang der 90er hat er halt noch gute Filme gemacht. Streng genommen hatte er bei diesem gar nicht Regie geführt, aber er war Drehbuchautor, Produzent, und so ziemlich jedes Detail trägt unverkennbar seine Handschrift – Burton at his best. The Nightmare Before Christmas ist ein teils bitterböser aber ungemein verspielter und liebevoll gemachter Film über Weihnachten UND Halloween, er ist ein hochkomisches und tiefberührendes Musical (genial: Danny Elfman), und das Ganze noch in Stop Motion – einfach unschlagbar. Kurz zusammengefasst erzählt er die Geschichte von Jack, Anführer des "Halloween Land", der in einer Sinnkrise seine magische Welt verlässt und zufällig in "Christmas Land" landet. Nach seiner Rückkehr glaubt er seine Bestimmung gefunden zu haben: Sandy Claws, äh, Santa Claus zu entführen und dieses Jahr an seiner Stelle das Kommando über das Weihnachtsfest der Menschen zu übernehmen. Das geht natürlich im Endeffekt gewaltig schief – aber gerade deswegen ist dann der Epilog des Films (der eigentlich im Film nicht vorkommt, jedoch auf der Soundtrack-CD zu finden ist) so berührend (gesprochen von Patrick Stewart!)
That's it folks… Merry Christmas everyone!
Meine Wertung: |
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